Wie meine botanischen Aquarelle entstehen – von der Inspiration bis zum letzten Pinselstrich

Zwischen dem ersten Blick auf eine Wildpflanze, dem Entschluss sie zu malen und dem fertigen Aquarell liegen eine Menge Schritte. Kleine und große. Wichtigere und unwichtigere. Hier fasse ich zusammen, wie ich vorgehe, bei der Entstehung meiner Pflanzenportraits in Aquarell. Schritt für Schritt - Aquarell: Wie meine botanischen Aquarelle entstehen – von der Inspiration bis zum letzten Pinselstrich Mein Prozess, wie ich Blumen in Aquarell male. Klicke hier und lese mehr oder pinne für später.

Rausgehen

Ganz klar, kurze und lange Momente in der Natur sind die Inspirations- und Ideenfindungsmomente für mich. Das überrascht wohl niemanden. Bei meinen Touren durchs Umland (meiste auf dem Rad) fallen mir immer wieder einzelne Pflanzen ins Auge. Gerne erkundige ich neue Ecken, neue Naturschutzgebiete und Biotope, doch besonders schön ist es immer wieder dieselbe Strecke zu fahren, die gleiche Landschaft zu sehen und Tag um Tag, Woche um Woche zu beobachten, wie sie sich verändert. Je nach Stimmung und Jahreszeit sehe ich dort immer wieder neue, malenswerte Pflanzen. Sind es zunächst die Kuckucks-Lichtnelken im Graben, folgen beim nächsten Mal die Mohnblumen am Ackerrand und wieder später im Jahr bin ich überwältigt von dem weißen Rauschen des Wiesenkerbels.

Mit Ausnahme von Auftragsarbeiten, in denen sich jemand seine Lieblingsblume (oder die seiner Liebsten) wünscht, male ich nur Wildpflanzen, die ich selber gefunden habe.

Nie mangelt es mir an möglichen Motiven, nie vergeht mir die Lust mich malerisch mit der heimischen Pflanzenwelt auseinander zu setzten. Ich weiß nicht genau, wie ich die Entscheidung treffe, welche der vielen wunderschönen Wildblumen ich denn als nächstes male, aber irgendwie weiß ich immer, welche als nächstes dran ist.

Ansichtsexemplar und Foto

Zwischen der Mal-Vorfreude in der Natur und der ersten Farbe auf dem Papier liegt ein wenig Vorbereitungsarbeit. Als allererstes muss ich mir das Motiv irgendwie sichern und festhalten. Wenn möglich, nehme ich mir ein zwei Ansichtsexemplare mit nach Hause mit. Auf jeden Fall aber mache ich sofort einen Haufen Fotos.

Fotos als Vorlage haben gelegentlich einen schlechten Ruf. Ich weiß nicht genau warum und sehe das auch völlig anders.Wenn mir doch diese enorme technische Unterstützung für meine Bilder zur Verfügung steht, warum sollte ich sie dann nicht nutzten?

Zwar bevorzuge ich auch eine „echte“ Pflanze als Vorlage, aber es gibt gute Gründe sich auch ein Foto vom Motiv zu machen. Beispielsweise, weil ich weiß, dass ich in den nächsten acht bis 24 Stunden auf keinen Fall zum Malen kommen werde. Da wäre es eine Verschwendung ein Ansichtsexemplar zu Hause in einer Vase beim Welken zu zusehen. Häufig finde ich auch Motive in Naturschutzgebieten. Dort ist das Pflücken von Pflanzen strikt untersagt, und gerade bei seltenen Arten, möchte ich auch nicht zu ihrer Dezimierung beitragen.

Beispiel Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica)

Die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) steht auf der Roten Liste, deshalb habe ich einfach unglaublich viele Fotos von ihr gemacht. Ideal wäre es, einen weißen Karton dabei zu haben, um diesen als Hintergrund zu nutzen. Das Leben ist aber selten ideal, deshalb sind die Fotos hier auch im Botanischen Garten in Gütersloh entstanden, weil meine ersten Originalbilder aus der Rheinaue durch einen Hitzeschlag meines Fotoapparates verloren gegangen sind.

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Beispiel Beinwell (Symphytum officinale)

Der Beinwell (Symphytum officinale) ist zwar weder geschützt, noch stand er im Naturschutzgebiet, doch bei der Hitzte, hat der die Reise nach Hause in die Vase, nie so frisch überstanden, Deshalb habe ich auch hier Fotos gemacht. Eine Menge Fotos, von verschiedenen Pflanzen und verschiedenen Blickwinkeln. Außerdem versuche ich jeden Bereich der Pflanze einmal scharf zu fotografieren. Der Makro-Modus macht zwar schöne Fotos, aber es ist ärgerlich, wenn die Blüten auf allen Fotos gestochen scharf, aber die Blattansätze hingegen nie zu erkennen sind. Beinwell

Skizzen und Entwurf des Bildaufbau

Was folgt sind erste Skizzen des Motives und Überlegungen wie ich die Pflanze am besten aufs Papier bringe. Ich layoute mein Aquarell sozusagen. Bei der Iris hier war es ganz einfach. Eine Blüte mittig und ein gerader Stängel, da musste ich nicht lange überlegen. Beim Beinwell habe ich mehr oder weniger den Aufbau der Pflanze auf meinem Foto übernommen, nur hier und da vielleicht einen Stängel weggelassen. Deshalb habe ich mir dort die Entwurfvorzeichnung auf Schmierpapier gespart. Bei anderen Pflanzen, mit geschwungenen und verzweigten Stängeln kann es aber schon mal mehrere Anläufe dauern bis ich ein stimmiges Motiv gefunden habe. Ich lege selten besonders ordentlich und detaillierte Zeichnungen an, sondern deute häufig nur die Lage der Blätter an. Vertraue darauf, dass ich das dann bei dem eigentlichen Bild schon ungefähr so hinbekomme. Frag mich nicht, ob es sich dabei um Faulheit handelt, oder um Erfahrung. Vielleicht auch von beidem etwas. Wie meine botanischen Aquarelle entstehen – von der Inspiration bis zum letzten Pinselstrich Mein Prozess, wie ich Blumen in Aquarell male. Klicke hier und lese mehr oder pinne für später.

Mischproben/Farben testen

Jetzt geht es endlich mit der Farbe los. Da ich mit einer recht kleinen Palette von circa 30 Farbtönen arbeite, habe ich meist schon ein ganz gutes Gefühl, wie und mit welchen Tönen ich meine Wunschfarbe ermischen werde. Trotzdem schadet es nicht, das vorher einmal auszuprobieren. Das hat vor allem den enormen Vorteil, dass ich später sofort mit der ersten Farbschicht beginnen kann, ohne lange herum zu probieren. Wie meine botanischen Aquarelle entstehen – von der Inspiration bis zum letzten Pinselstrich Mein Prozess, wie ich Blumen in Aquarell male. Klicke hier und lese mehr oder pinne für später. Ich mische dabei nicht alle Farben in der Menge vor, wie ich sie brauchen werde, aber ich kläre schon vor Beginn, wie ich den gewünschten Grünton mische oder welches Violett für die Blüten passt. Aquarell Palette Farben mischen

Das eigentliche Bild

Endlich geht es mit dem Malen los. Hat ja auch lange genug gedauert.

Vorzeichnung

Mit Hilfe meiner Entwurf-Skizze und meiner Vorlage (ob nun echte Pflanze oder Foto) zeichne ich vorsichtig und zart die Umrisse meines Motivs auf Aquarellkarton oder Büttenpapier. Hierbei achte ich darauf, möglichst wenig den Bleistift aufzudrücken. So können Korrekturen gemacht werden, ohne hässliche Bleistiftspuren auf dem Papier zu behalten.
Dies ist mit Abstand mein unbeliebtester Schritt, denn er kostet Zeit. Zeit, die ich lieber schon mir Farbe verbringen würde, logisch. Doch, je besser, also detaillierter und bedachter, die Vorzeichnung ist, desto einfach und entspannter lässt sich später das Motiv malen.
Botanisches Aquarell: Vorzeichnung Ich zeichne an dieser Stelle die Pflanze freihändig nach der Vorlage. Meiner Erfahrung nach wirkt das Motiv so natürlicher, stimmiger und nicht so steif, als wenn ich Durchpause. Schaffe ich so eine hundertprozentig genaue Abbildung der Vorlage? Nein. Aber ich schaffe so eine hundertprozentige Zeichnung des Motivs von meiner Hand. (An dieser Stelle möchte ich allen Mal- und Zeichenanfänger sagen, dass ich schon seit Jahren bzw. Jahrzehnten Pflanzen male, weshalb mir das inzwischen relativ leicht von der Hand geht. Übung macht da den Technik-Meister und ich kann nur jedem ans Herz legen einfach nicht aufzugeben und dranzubleiben am Zeichnen, um langsam aber sicher einen eigenen Stil und eine eigene Herangehensweise zu finden. Tipps und Hilfe findest Du in meinem Onlinekurs „Gemaltes Herbarium“ Wenn Du aber so schnell wie möglich mit dem Malen anfangen möchtest, ich habe auch nichts gegen Leute, die Durchpausen.)

Erste zarte Farbschicht

Endlich geht es mit der Farbe los. Die erste Farbschicht ist meist ganz zart, stark mit Wasser verdünnt und nach dem trocknen praktisch unsichtbar. Sie legt lediglich die Farbe der hellsten Stellen (, die nicht weiß sind,) fest. Bei komplexen Blüten, bei denen Blätter und Blütenblätter dicht beieinander liegen hilft mir die erste Farbschicht auch bei der Orientierung. Nach dem Motto, was soll dieser Strich hier nochmal? Ist das ein Blatt, eine Blüte, ein Versehen? Botanisches Aquarell: Erste Farbschicht

Langsamer Farbaufbau

Schicht um Schicht. Farbeauftrag um Farbauftrag wächst das Motiv heran. Langsam verstärke ich die Farbintensität und setze Schatten. Dabei habe ich immer im Blick, welche Teile der Pflanze hell bleiben sollen, wo die stärksten Schatten liegen und hart die Übergänge dazwischen sind.
Ein intuitiver Prozess. Meine Vorgehensweise ist mir so ins Fleisch und Blut übergegangen, dass ich beim Malen selbst da kaum noch bewusst drüber nachdenke. Stattdessen kann ich mich voll und ganz auf mein Motiv einlassen. Mich freuen, über die Schönheit und Vielfalt der Farbe oder auch die Einfachheit und Eleganz der Blüten.
Botanisches Aquarell: Malprozess Botanisches Aquarell: Malprozess Botanisches Aquarell: Malprozess
Ich glaube, es ist Einstellungssache, ob man diesen Prozess eher anstrengend und nervenaufreibend oder, wie ich, meditativ findet.
Für mich ist es  ein ganz liebevoller Moment, bzw. viele kleine liebevolle Momente, in denen ich eine Pflanze male. Ich verliebe mich ein bisschen in meine Blume und fühl mich von ihr verzaubert, vergesse die Zeit und habe nur Augen für sie. Beinwell Aquarell - Botanische Aquarelle Prozess, Schritt für Schritt

Fehlt was? Letzte Pinselstriche

Der Trick bzw. die Herausforderung hier ist, dass nicht zu verkrampft zu werden. Es ist zu einfach sich in den Details zu verlieren. Krampfhaft Millimeter für Millimeter das Foto oder die Pflanze vor meiner Nase abbilden zu wollen. Stattdessen zu wissen, wann eine leichte Andeutung von Haaren oder Schatten genug ist, um die Essenz der Pflanze darzustellen, ist die eigentlich Kunst. Eine Farbschicht zu viel und das Pflanzenportrait sieht seltsam steif und unlebendig aus. Ein Balanceakt, der mir nicht immer gelingt.

Am Ende bleibt mir nur mich zurückzulehnen und mich über die Blüte auf meinem Papier zu freuen. Über sie und die tausenden an Blüten draußen, die noch auf mich warten.

Gänseblümchen in Aquarell

Kostenlose Video Anleitung

Es geht nicht darum schon perfekt malen zu können.
Es geht darum zu starten. 
Du brauchst kein Talent, nur den Mut es zu probieren. 
– Alles andere zeige ich dir.

Dieser Beitrag hat 18 Kommentare

  1. Atessa

    Es ist schön zu sehen, wie du vorgehst und dein Bild entsteht :) Ich habe mich nur gefragt, wie man bei dickem Aquarellpapier Durchpausen soll =D

    1. Gesche

      Bis zu 300g kann man an sonnigen Tagen tatsächlich noch am Fenster durchpausen, ansonsten geht auch immer so etwas wie Kohlepapier…

  2. wintergoldhuehnchen

    Hi Gesche, danke für den tollen, informativen Einblick in Deine Vorgehensweise :-) Und keine Angst: Dein Text klingt an keiner Stelle pathetisch. Ich kenne dieses Gefühl der Zuneigung auch beim Zeichnen und wir sind garantiert nicht die Einzigen :-D

    1. Gesche

      Danke. :) und extra danke für die Bestätigung, dass ich nicht völlig irre klinge. Muss man manchmal einfach noch mal von wem anders hören/lesen.
      LG, Gesche

  3. Bettina

    Interessant zu sehen, wie Deine Aquarelle entstehen. Und ich kann verstehen, dass Du dabei völlig die Zeit und alles um Dich herum vergisst. Mir selber geht es auch so beim Zeichnen. Es ist wie eine Meditation.

    Darf ich Dich fragen, mit welchem Scanner Du Deine Aquarelle scannst? Bin selber grad am Abwägen vor der Anschaffung…

    Viele Grüße
    Bettina

    1. Gesche

      DCP J132W

    2. Gesche

      Da hab ich zu schnell auf Enter gedrückt :)
      Hallo Bettina,
      mein Scanner ist ein 3-in-1-Modell von Brother, mit der obigen Seriennummer.
      Ich hatte das schon, bevor ich dachte, dass ich jemals meine Aquarelle einscannen werde. Er funktioniert aber gut. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es ihn auch in größer, mit Scannfläche bis DIN A3 gibt.
      Liebe Grüße,
      Gesche

    3. Bettina

      Danke Dir für die Info liebe Gesche <3
      Viele Grüße
      Bettina

  4. Doris

    Spannende Einblicke in Deine Arbeit, Gesche. Sie klingen überhaupt nicht überkandidelt oder sowas, im Gegenteil. Ich finde es klasse, dass Du erzählst, wie ein Aquarell entsteht und wie Du dabei vorgehst. Das macht Deine zauberhaften Bilder noch greifbarer, „entzaubert“ sie aber keineswegs. :-)

    1. Gesche

      Danke, Doris. Da merkt man doch, dass man einfach drauflos schreiben soll, was man fühlt, statt sich zu viele Gedanke zu machen. :)

    2. Doris

      Ganz genau! Ist manchmal nicht so einfach, jedenfalls geht es mir öfters so. Der Kopf schaltet sich viel zu viel ein und bremst. Voll blöd!

  5. Birgit Wunderlich

    Ich danke Dir für all die wertvollen und tollen Tipps für die Aquarellmalerei an uns Anfänger. Bin mächtig beeindruckt von Deinen Werken und werde mich auch mal ans „Zarte“ Malen versuchen,bislang habe ich nur mit Akryl gearbeitet. Ich freue mich auf weitere Tipps . Liebe Grüße!

    1. Gesche

      Hallo Birgit,
      dankeschön, freut mich sehr, dass ich Dir weiterhelfen konnte. Probiere es mit dem Aquarell einfach mal aus, ich liebe es :)
      Wenn Du Fragen hast, dann kannst Du mir auch immer unter info@geschesanten.com schreiben oder hier im Kommentar, ich helfe gerne weiter.

      LG, Gesche

  6. Steffi

    Der Vorteil bei Fotos ist doch auch die Gesamtsituation von Licht und Schatten. Das kann man zuhause mit künstlichem Licht nur schwer nachmachen und die Farben sehen dann ja auch ganz anders aus als unter natürlichem Licht.

    Jedenfalls gefällt mir bei deiner Schwertlilie ganz besonders der Detailreichtum. :)

    LG Steffi

    1. Gesche

      Hallo Steffi,
      stimmt da hast du recht. So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Ich habe zwar Tageslichtlampen, aber natürlich „leuchten“ da die Farben nie so, wie wenn goldiges Nachmittagslicht durch Buchenblätter fällt!

      Ich habe mir übrigens Deine Blogparade schon gemerkt und auf die Blogpost-To-Do-Liste gesetzt – ein tolles Thema…jetzt fehlt nur noch die Zeit ;)

      LG Gesche

  7. wintergoldhuehnchen

    Hey, ich bin’s nochmal. Ich bewundere Deine Arbeiten ja sowieso schon seit längerem, aber jetzt bin ich im Rahmen der 30×30 Direct Watercolor-Challenge ins kalte Wasser in Sachen Aquarell gesprungen (nach zwei Jahren drum herumschleichen) und versuche mich dabei auch an Pflanzenzeichnungen. Toll, wie Du diese ganze Schattierungen hinbekommst und vor allem sehen die Farben bei Dir so leuchtend, aber doch natürlich aus.Habe das Gefühl, dass bei mir alles nur Farbmatsch ist, aber das ist wohl bei einer Anfängerin auch nicht so ungewöhnlich und ich bin wieder nur zu ungeduldig ;-)

    1. Gesche

      Danke :) Ich hatte noch gar nicht von der 30×30 Challenge gehört, klingt auf jeden Fall super. Ich arbeite ja im Moment daran 100 wildblumen zu malen/skizzieren, nur täglich schaffe ich nicht ;) Aber die sehen dann auch nicht alle so aus, wie der Beinwell. Das ist vor allem Übungssache, und nur ein bisschen Technik.

      Farbmatsch passiert, bei zu viel Wasser und zu vielen Farben.
      Ich will jetzt noch für meinen Onlinekurs ein neues Modul malen – mal sehen, hoffe ich schaffe das diese Woche.

      Viel Erfolg bei der Challenge und liebe Grüße,
      Gesche

  8. Terrassenüberdachung

    Wow, super Webseite … werde hier auch in Zukunft zurückgreifen ;-) DANKE !!!! Liebe Grüße Mia

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