Kennst Du das? Du zeichnest eine Pflanze, vorsichtig Blütenblatt für Blütenblatt und am Ende sieht das ganze irgendwie verformt aus? Gar nicht wie das Original vor Deiner Nase. Oder Du sitzt vor einer Pflanze und möchtest sie gerne zeichnen oder malen, weißt aber nicht wie oder wo Du anfangen sollst?
Ich habe festgestellt, dass meine Zeichnungen und folglich auch meine Aquarelle stimmiger werden, wenn ich mir vorher über den Aufbau der Pflanze bewusst mache. Wenn ich mir einen Moment Zeit nehme und überlege was ich wirklich sehe.
Wie viele Blütenblätter hat die Pflanze? Drei, vier, fünf, unendlich?
Ist die Blüte symmetrisch?
Wie wachsen die Blätter? Stehen sich immer zwei gegenüber? Wachsen sie immer abwechselnd links und rechts am Stängel?
Wie verlaufen die Blattnerven? Gibt es eine Mittelrippe von der Seitennerven abgehen oder treffen alle Nerven am Blattgrund zusammen?
Botanische Kenntnisse über Aufbau von Pflanzen und Familienmerkmalen helfen entspannter und mit mehr Leichtigkeit Wildblumen malen zu können.
Du hast gewissermaßen einen Ansatzpunkt auf welche Merkmale Du achten musst. Das ist natürlich nur interessant für Dich, wenn Du in Deinen Bilder und Skizzen Pflanzen gerne erkennbar wiedergeben möchtest. (Wenn das nicht Deine Intention ist, ist das natürlich auch völlig okay.)
Weiter unten zeige ich das anhand des Storchenschnabels. Da alle Storchenschnäbel fünf Blütenblätter haben und kreisförmig sind, ist ein einfacher erster Schritt die Blüte mit einem Kreis anzudeuten und diesen in fünf Teile aufzuteilen, um die Blütenblätter herauszuarbeiten.
Wenn Du die Bestimmungsmerkmale der jeweiligen Art oder Gattung kennst, weißt Du welche Details Du in Deiner Zeichnung oder Deinem Bild mit übernehmen musst, damit diese Art oder Gattung auch als solche zu erkennen ist.
Dabei geht es hier nicht nur um ordentliche und detaillierte botanische Illustrationen, auch freierer, „lockere“ oder vereinfachte Bilder können immer noch die Pflanzenart erkennbar wiedergeben.
Eine kleine Einführung in die Gliederung des Pflanzenreichs und Nomenklatur
Grundsätzlich werden Pflanzen mit gemeinsamen Merkmalen zusammengefasst.
Arten sind dabei die Grundeinheit der Systematik. Arten, die näher miteinander verwandt sind und deshalb mehrere gemeinsame Merkmale haben, werden in einer Gattung zusammengefasst.
Gattungen gehören wiederum Familien mit gemeinsamen Merkmalen an.
Familien bilden Ordnungen und diese wiederum Klassen, aber das ist hier jetzt nicht so wichtig.
In der lateinischen Bezeichnung von Pflanzen folgt immer der der Artenname auf den zuerst genannten Gattungsnamen.
Beispiel Storchenschnäbel
Storchenschnäbel gehören zur Gattung der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae), zu dieser Gattung gehören aber auch andere ähnliche Gattungen wie Reiherschnäbel (Erodium).
Storchenschnäbel haben den Gattungsnahmen Geranium. Der Wiesenstorchenschnabel heißt auf Latein Geranium pratense, der Rundblättriger Storchschnabel Geranium rotundifolium.
Die Gattung Geranium ist zwar artenreich und es gibt viele Storchenschnäbel in verschiedenen Größen, Farben und Ausprägungen, einige Merkmale haben aber alle gemein:
Merkmale Gattung Geranium:
- Alle Blätter sind handförmig geteilt oder fingert
- Die Blüten sind radiär und fünfzählig
- Frucht schnabelförmig verlängert
Und was nützt mir das jetzt beim Malen?
Die Blüten von Storchenschnäbeln sind immer radiär, d.h. sie lassen sich durch mehre Schnittebenen in zwei spiegelbildliche Hälften teilen, und sind fünfzählig, d.h. haben fünf Blütenblätter.
Dieses Schemata funktioniert für alle Storchenschnäbel. Ob klein und pink wie Geranium molle (Weicher Storchenschnabel), mittelgroß und mit dunkleren Adern, wie Geranium robertianum (Stinkender Storchenschnabel) oder mit größeren Blüten, wie Geranium sylvaticum.
Das gilt auch, wenn man die Blüte nicht frontal betrachtet, sondern in verschiedenen Winkeln von der Seiten.
Aus dem Kreis wird ein Oval, aber es ist immer noch in fünf gleiche Teile gegliedert.
Blätter
Blätter von Pflanzen der Gattung Geranium sind handförmig geteilt oder gefingert.
Ich beginne die Zeichnung mit einem Oval, das ungefähr die Form des Blattes wiedergibt. Dort zeichne ich „die Finger“, also die Hauptnerven ein, die alle von einem Startpunkt ausgehen Diese Vorgehensweise bleibt immer gleich, egal ob Enden des Blattes rund oder Spitz sind.
Und alles zusammen
Mit meinem grundsätzlichen Wissen vom Aufbau eines Storchenschnabels, kann ich jetzt locker Blüten und sogar ganze Pflanze malen.
Die zwei hier, habe ich ohne Vorzeichnen gemalt.
Schritt für Schritt Wiesen-Storchenschnabel
Hier noch mein ein Storchenschnabel mit einer zarten Vorzeichnung.
Wie immer gilt: Meine Schritt-für-Schritt Bilder sind nur eine Anregung und eine erste Hilfe für Anfänger. Es ist nicht die einzige Art einen Storchenschnabel zu malen und Du kannst Deiner Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen.
Außerdem kannst Du am Storchenschnabel schön sehen, was Übung bringt. Das Bild oben ist von 2015, das Bild hier drunter von 2016:
Sehr informativ mit guten Beispielbildern finde ich deinen Post. Gefällt mir gut!
Liebe Grüße
Claudia
Liebe Claudia, vielen Dank für deine Rückmeldung. Freut mich sehr, dass er dir gefällt.
Viele Grüße Gesche
P.S.: Verfolge deine Inktober Fotschritte und bin ganz begeistert – den Hirsch finde ich am coolsten.
Hallo Gesche, ich kann mir den Kurs leider nicht leisten, aber darf ich eine Frage stellen?
Wird grundsätzlich zart mit Bleistift vorgezeichnet und wenn ja, sieht man das dann nicht, wenn die Farben beispielsweise bei Gräsern und Blumen sehr pastellig sind? Oder darf bzw. soll man die Vorzeichnung sehen`?
Hallo,
es gibt grundsätzlich keine „richtig“ oder „falsche“ Art Vorzuzeichnen.
Ich benutzte einen HB Bleistift mit dem ich ganz zart vorzeichne (viel zarter, als auf den Fotos hier, so zart, dass man das auf Fotos gar nciht sehen würde). Nach der ersten Farbschicht, radiere ich meist vorsichtig die Bleistiftlinien, die überstehen weg.
Manche mögen es aber auch, dass man die Bleistiftlinien sieht, das ist wirklich Geschmackssache. Probiere einfach mal aus, welches ERgebnis für Dich am schönsten ist :)
LG,
Gesche