Freilichtmalerei, oder auch Pleinaire, kann ganz schön Nerven kosten (gibt’s hier noch mehr Angshasen außer mir?) Hier sind meine Tipps, wie Du Dich trotzdem raus traust!
Die Sonne kommt immer häufiger zum Zuge, die Tage werden nicht nur länger sondern auch wärmer – kurzum der Sommer kommt!
Bei so schönem Wetter, am Schreibtisch zu verkommen macht keinen Spaß.
Ich will raus. Sonnenschutz einpacken und raus. In die Natur, ins Grüne, wo die Vögel singen und bald die Grillen zirpen. Wo es nach Gras riecht oder nach Moos auf feuchten Steinen.
Ich will Natur erleben- Intensität der Farben direkt vor Ort einfangen. Oder einfach vor mich her träumen und mir lustige Situationen für meine glubschäugigen kleinen Freunde ausdenken.
Draußen unter freiem Himmel malen ist der Inbegriff der Sehnsucht nach Freiheit und Inspiration. (Für mich jedenfalls.)
Der Künstler, der mit Sonnenhut und Staffelei vor einer Sehenswürdigkeit steht und in seine Arbeit versunken einen langen Pinsel schwingt, gilt wohl als Inbegriff der Pleinaire-Malerei.
Für den eher ungeübten oder scheuen Künstler kann Freilicht-Malen einschüchternd wirken.
Nachher sieht mich noch einer!
Ich gehöre dazu. Die Vorstellung, dass mich vorbeigehende Passanten ansprechen, womöglich über meine Schultern gucken, löst Horror in mir aus.
In meinem Kopfkino läuft irgendetwas zwischen einem generellen „Oh Gott, muss ich dann mit denen sprechen?!“ und einem spezifischeren „Meine Bilder sind nicht gut genug, die werden denken ich spinne und bin anmaßend“ ab.
Es wäre aber schade, wenn Du (und ich) wegen Angst und Zweifel um das Vergnügen kommst, in und nach der freien Natur zu malen und zeichnen.
Im Folgenden habe ich meine besten Tipps zusammengestellt, wie Du dich zum Malen und Zeichnen raustraust.
Dies ist kein Pleinaire- How-to. Hier findest Du keine Tipps zur Ausrüstung und Motivsuche.
Hier geht’s um die Einstellung.
Dies ist geschrieben für Dich, wenn du auf Partys gerne mit dem Rücken zur Wand stehst und dann bevorzugst nur mit Freunden von dir sprichst.
Dies sind Tipps für Dich, wenn Du jedes neue Unterfangen, und sei es auch noch so klein (in den Augen anderer Leute), mit großem Aufwand planst, um für alle Möglichkeiten, wie etwas schief gehen KÖNNTE gewappnet zu sein.
Dies ist NICHT für Dich, wenn Du denkst, dass das oben beschriebene ja total lächerlich sei, und wir uns mal nicht so anstellen sollen.
Trau Dich raus in den Sonnenschein und male was!
Grundsätzlich gehen meine Tipps in zwei Richtungen. Die einen konzentrieren sich darauf, dem Feind („anderen Menschen“) aus dem Weg zu gehen und unangenehme Zusammentreffen und interessierte Nachfragen weitestgehend zu vermeiden. Es geht dabei nicht darum, zu verurteilen, warum Du das für nötig hälst. Du fühlst Dich damit sicherer, dass reicht als Grund aus.
Die anderen Tipps gehen auf deinen Einstellung (Deinen Mindset) ein und versuchen deine Einstellung gegenüber Freilichtmalen und der Exposition etwas zu ändern. Du machst Dich deiner Befangenheit bewusst und arbeitest mit ihr, nicht gegen sie!
Egal also, ob Du sowieso total introvertiert bist, oder dein Selbstbewusstsein in Bezug aufs Malen einen kleinen Knacks hat, ich hoffe Folgendes hilft Dir weiter.
Intention – Was willst Du?
Bevor Du loslegst solltest Du dir überlegen, warum du unter freiem Himmel malst.
Du kannst nicht alles Malen, was du siehst. Natur ist optischer Overkill.
- Möchtest Du einfach ein schönes Erlebnis haben, einen netten Tag? Die Sonne und den Prozess genießen?
- Möchtest Du ein fertig ausgearbeitetes Bild erstellen?
- Möchtest Du Skizzieren und Ideen sammeln, die du später als Anhaltspunkte für weitere Arbeiten verwendest?
Keine dieser Intentionen ist schlechter oder besser als die andere. Ich male meistens einfach, weil ich es einfach „nett“ finde bei Sonnenschein unter einem schattigen Baum zu sitzen und vor mich hin zu klecksen und zu stricheln. Außerdem kriege ich so häufig Ideen für Motive, die ich später detaillierter ausarbeiten möchte.
Einstellung – Ein hilfreiches Mindset
Mache Dir deine Befangenheit bewusst. Nützt nichts sie zu ignorieren. Mir hilft es, wenn ich mir bewusst mache, dass ich tatsächliche gehemmt bin vor anderen Menschen zu malen. Statt einfach über das ungute Gefühl drüber weg zu buttern, weil es ja „bescheuert sei“, Angst vorm Skizzieren im Park zu haben, erkenne ich an, dass sich das für mich nach Risiko anfühlt. Für mich ist es ein Wagnis, Pleinaire zu malen und vielleicht blöd angeguckt zu werden. Ein Wagnis, dem ich mich bewusst aussetzte.
Meine Erfahrung nach bist Du übrigens eh viel unsichtbarer, als Du annimmst.
Vorbereitung ist alles.
Außerdem kann man mit ein wenig Planung auch dem meisten Publikumsverkehr vermeiden.
Kundschafte die Gegend aus!
Bevor du mit deinem Skizzenbuch losziehst, Kundschafte vorher die Gegend ein wenig gezielt aus.
Gibt es im Park irgendwo eine ruhige Ecke, an der nicht so viele Sonntagsspaziergänger vorbeikommen? Gibt es eine Parkbank, wo du den Weg im Rücken hast, und die anderen Leute deshalb nicht bemerkst?
Das richtige Werkzeug – Klein aber oho
Wer braucht schon Staffelei und Sonnenhut. Meist tut es auch ein kleines Skizzenbuch, was du auf deinem Schoß balancieren kannst und ein Bleistift.
Das hat den enormen Vorteil, dass andere Leute nicht merken, was du da tust, und erst gar nicht neugierig werden.
Ich habe selbst leider keinen kleinen Aquarellkasten und schleppe deshalb immer meine ganzen Farben mit. Das sind allerdings eh nur 15 Farbnäpfe, also nicht wirklich exzessiv viele.
Nicht vergessen: Habe Spaß dabei und genieße den Prozess
Wenn Du vorher noch nie Pleinair gearbeitet hast, nimm Dir Zeit und probiere es einfach mal aus. Keep it simple, ein kleines Skizzenbuch oder ein Klemmbrett und ein Bleistift reicht schon aus um los zu legen.
Bonus Tipp – Wenn du feststellst, dass du draußen malen total doof findest.
Wenn Du Rückenschmerzen kriegst oder du ständig denkst, dass dir Ameisen in die Unterhose krabbeln, …Dann lass es sein. Niemand sagt, dass tolle Landschaftsbilder oder Botanik-Studien draußen im Freien entstehen müssen.
Male da, wo Du dich wohl fühlst. Wenn das in einem Decken-Fort hinter deinem Sofa ist, dann bitte, male Da. Es ist dein Leben und dein Skizzenbuch!
Liebe Gesche!
Ich muss gestehen, dass ich noch nie was von Dir oder mit Dir gemalt habe.
Aber ich liebe Deine Mails. Du schreibst mir meistens aus der Seele.
Zu lesen und die Bilder zu sehen macht mir Freude.
Ich habe schonmal überlegt mich abzumelden, weil ich ja eh nie was male, weil eh lieber eine Landschaft malen würde oder mir der Hintergrund fehlt. Aber dann kam eine Mail, die ich dann doch gelesen habe und wieder einmal wunderschön fand.
Also akzeptiere ich meine Untätigkeit und genieße weiter Deine Briefe.
Und da du immer so schön und aufbauend schreibst, möchte ich Dir danken und auch was schönes schreiben! Weiterhin viel Kreativität und Spaß und freie Zeit! Liebe Grüße, Claudine
Liebe Claudine,
Dankeschön für diese schönen Worte. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn meine E-Mails Freude bereiten ohne dass du Blumen malst. Schließlich lässt sich ja auch alles im Malen auch aufs Leben übertragen.
Herzliche Grüße,
Gesche