Zwischen Selbstzweifeln und Euphorie- Mein kreativer Zyklus und ich

Ich befinde mich in einem ewigen Kreis, einem Auf und Ab der Gefühle, dass mir und jedem Menschen, der mit mir zusammenwohnt(e) nur allzu vertraut ist.

Nein, nicht dieser Zyklus.

Mein kreativer Zyklus ist gemeint.

Das läuft ungefähr genau so ab:

Zwischen Selbstzweifeln und Euphorie- Mein kreative Zyklus und ich | Gesche Santen Blog

Ich habe zum ersten Mal ein Idee, die ich zunächst für bescheuert erkläre.

Dann kommt sie wieder, schleicht sich einfach in mein Bewusstsein, die olle Socke. Es fängt an innerlich zu kribbeln.

Was für ein grandioser Einfall! Ich will sofort damit loslegen.

An dieser Stelle unterbreche ich meinen Mann gerne beim Computerspielen, um ihn voller Inbrunst und Begeisterung von meinem Geistesblitz zu erzählen.

Der guckt dann entweder verständnislos, oder er stimmt mir zu, bringt dabei meiner Meinung nach aber nicht genug Enthusiasmus auf.

Voller Selbstvertrauen fange ich an zu planen, zu schreiben, zu zeichnen. Ach was für eine Freude.

Schnecke im Regen | Gesche Santen

Meine Arbeit kommt richtig in den Fluss, die Ideen sprudeln nur so.

Wenn es gut läuft sehe ich jetzt, wie mein Einfall langsam Form annimmt. Häufig vergesse ich Raum und Zeit. Lege Nachtschichten ein oder delegiere Abendessen-kochen („Mach doch Nudeln mit Fertig-Tomatensoße….komme gleich“)

Fertig! Stolz blicke ich auf das Ergebnis. Mein Herz geht auf und ich lächle selbstzufrieden.

Vielleicht präsentiere ich jetzt stolz das Ergebnis meinem Mann oder meiner Freundin. Ich bin begeistert von der Idee, von dem was da aus mir rausgeflossen ist oder davon, was das potenziell für andere Menschen machen kann.

Diese Phase hält aber nicht ewig – ganz im Gegenteil

Mal nur 30 Sekunden, mal vielleicht 30 Stunden. Meist ist über Nacht mein Enthusiasmus verschwunden.

Wenn ich danach mein Bild (oder Text) anschaue, schaudert es mir.

Gütiger Gott, fürchterlich! Was habe ich mir dabei denn gedacht?

Wenn jetzt jemand mein Werk lobt werde ich zickig. Defensiv. Ja klar, verarschen kann ich mich selber. Danke! ironischeAugenrolle

Danach ist es ein langsamer und manchmal zäher Aufstieg zurück zur Zufriedenheit. Manchmal packe ich Bilder einfach weg. Wenn ich dann Wochen oder Monate später drüber stolpere, denke ich

„Oh, das war ja doch ganz schön“

Statt der feurigen Begeisterung kurz nach der Fertigstellung setzt eine entspannte Zufriedenheit ein. Nicht weniger intensiv, aber weniger nervenaufreiben. Ich bin völlig mir im Reinen. Ein schönes Gefühl.

Schnecke im Regen | Gesche Santen

Warum ich das hier erzähle?

Früher habe ich jedes Stadium dieses Zyklus genutzt um aufzugeben, aufzuhören, dichtzumachen.

Wenn eine Idee mir nicht auf den ersten Blick zusagte, hielt ich sie auf beim zweiten Blick nicht für wert umgesetzt zu werden.

Wenn ich von etwas begeistert war und das mit jemanden teilte, der oder die das nicht verstand, dann begann das Zweifeln und ich legte die Idee beiseite.

Wenn ich am Ende eines Bildes ganz begeistert war, dann habe ich das zuweilen mit niemanden geteilt. Was wenn andere das nicht so sehen?

Wenn ich nach der kurzen Begeisterung in die Unzufriedenheit abstürzte, habe ich mir alles Negative, was ich über mein Werk dachte, geglaubt.

Schnecke im Regen | Gesche Santen

Heute weiß ich, dass das alles Teil eines Zyklus ist.

Ich kenne meine Macken, das auf und ab meines Selbstbewusstseins.

Wenn ich also plötzlich ein Bild von mir so richtig Scheiße finde, obwohl ich gerade noch begeistert war, dann weiß ich, dass ist einfach nur Teil des Prozesses. Das vergeht auch wieder. Kein Grund zur Panik.

Wenn ich eine Idee mit meinem Mann teile und er nur verloren guckt, dann schlägt sich das nicht negativ auf meine Pläne aus. Ich zucke mit den Schultern über meinen fantasielosen Gatten und er lacht über seine irre Frau und freut sich, dass ich mich über meine Idee freue.

Jetzt wo ich weiß, worum es sich handelt, kann ich damit umgehen.

Gefühle nicht ignorieren – sie sind da, aber nicht tödlich

Es gibt kaum etwas Fieseres als etwas Unangenehmes, wie Scham und Unzufriedenheit über ein Bild, zu spüren, und sich dann noch selber zu schelten, weil man was Negatives fühlt.

Mist schon wieder nicht zufrieden

In meiner Familie ist das ein Dauerwitz „Jaja, Gesche mag mal wieder eines ihrer tollen Bilder nicht“.

Gut meinende Menschen versuchen einem dann zu bestärken, dass das Bild doch „total hübsch“ sei, oder sie „nicht so malen“ könnten. Das ist zwar lieb gemeint, aber Komplimente helfen in dieser Situation nicht weiter. Denn sie verneinen das Gefühl der Unzufriedenheit, das man nun mal hat. Sie sagen einem, dass es unberechtigt ist, was man da fühlt.

Ich dachte jahrelang die Lösung ist, nicht mehr unzufrieden sein zu dürfen. Diese Phase meines kreativen Zyklus überspringen zu müssen.

Innere Kämpfe gegen einen selbst gehen aber nie gut aus. Du bist immer der Verlierer.

Schnecke im Regen | Gesche Santen

Stattdessen gebe ich meiner Angst, Unzufriedenheit und meiner Zweifel jetzt eine fette Umarmung.

„Guck an da sind sie wieder“, denke ich da und lache über mich selbst.

Wenn ich jetzt von einem Bild so richtig enttäuscht bin, dann weiß ich, dass das nicht das Ende ist, sondern erst der Anfang.

Denn (bitte im Kopf mitsingen):

„..im ewigen Kreis…dreht sich unser Leeeeeben. Dem Gesetzt der Natuuuuur, sind wir geweiiiiiht. Schannnananeeeeeee

Wir sind alle Teiiiiiilllll dieses Universuuuuums und das Leeeeebeeeeeeen ein eeeewiger Kreiiiiiiiis!“

(frei nach Disneys König der Löwen)

Schnecke im Regen | Gesche Santen

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Claudia

    Ach das liest sich genau so wie es mir auch immer geht.
    Erst kommt eine Idee, die wird dann mit Enthusiasmus bearbeitet um am nächsten Tag zu denken, was soll der Sch… eigentlich. Dann ist´s wieder vorbei mit dem Enthusiasmus und es wird in die Ecke geschoben und vergessen.
    Das schlimmste ist die folgende Unzufriedenheit über mich selbst das ich nichts fertig bekomme. Da hadere ich dann wieder mit mir, was die Sache auch nicht besser macht.
    So ist es schön zu lesen das es nicht mir alleine so geht :)
    Liebe Grüße
    Claudia

    1. Gesche

      Liebe Claudia,
      so pathetisch es klingen mag: Das Wichtigste ist wohl liebevoll mit sich selber umzugehen. Schlimm genug, dass man sich schlecht fühlt oder doof vorkommt, dann muss man sich deswegen nicht auch noch Selbstvorwürfe aufbürden.
      Und alleine sind wir beide bestimmt nicht mit diesem Problemchen :)
      Ganz liebe Grüße zurück,
      Gesche

  2. Sabine Oetjen

    Bei mir ist es etwas anderes. Von der Idee bis zur Fertigstellung ist es mein Baby. Es wird gehegt und gepflegt. Ich tue mein Bestes um das Bild fertig zustellen. Was mir auch zu 90% gelingt. Ist es dann fertig, unabhängig davon ob es mir gefällt oder nicht, falle ich in ein dickes Loch. Mein ganzes Ich , mein Fühlen und Wollen hing an diesem Bild und jetzt muß ich es entlassen in die große weite Welt.
    Das fällt mir dann extrem schwer und ich brauch ein paar Tage um mich damit anzufreunden.
    Mein Mann nennt es die kreative Depression. Gott sei Dank dauert sie nie lange.

  3. Anna

    Liebe Gesche,
    Du schreibst mir aus dem Seelchen! Ich kenne dieses Hin- und Herswitschen zwischen Eigenlob (ich finde, das stinkt überhaupt nicht ;-) …) und selbstkritischem Niedermachen auch sehr gut. Mein neues Motto in allen Lebenslagen – und natürlich auch beim Aquarellieren – ist daher: GLAUBE DIR NICHT ALLES, WAS DU DENKST! Dieser Satz hilft mir, die innere Notbremse zu ziehen und mich leben zu lassen, wenn ich gerade mal wieder total unzufrieden mit mir und meinen Werken bin. Und dann heißt es einfach, okay, ich habe verstanden, jetzt heißt es einfach weitermachen. Selbstentmutigung gilt nicht!
    Liebe Grüße und immer wieder DANKE!
    Anna

    1. Gesche

      Ja, das stimmt! Ich sage mir das auch immer. Aber manchmal glaubt man jeden Blödsinn im Kopf, außer die Stimme, die mir sagt, dass ich nicht alles glauben sollte, was ich denke :D

      Danke, bitte und liebe Grüße nocheinmal,
      Gesche

Kommentare sind geschlossen.